Rollwiderstand: Mehr als nur eine Frage der Reifen.
Da haben wir das Problem!
Denn, Antriebskraft mal Fahrstrecke verursacht Arbeit. (Der Link führt zu dem Artikel, in dem das erklärt wird.)
Diese Arbeit wiederum braucht Energie und Energie kostet Geld.
Also belastet der Rollwiderstand das Portemonnaie und das wollen wir so gering wie möglich halten. Ich vermute, da sind wir uns einig.
Bleibt nur noch die spannende Frage: Wie?
Ich werde hier in diesem Artikel die Wirkmechanismen erklären, die zu Rollwiderstand führen. Das sind mehr Sachen, als man im ersten Moment vermutet.
Damit ist dann die Basis gelegt, um noch tiefer ins Detail zu gehen und auch genau zu verstehen, welche Stellhebel existieren, um den Rollwiderstand zu verringern.
Formel für den Rollwiderstand
Diese Formel ist auf die relevanten Größen aufgelöst, die du in den meisten Fällen herausfinden kannst. Du kannst diese direkt einsetzten.
Für ein besseres Verständnis will ich die Formel mal schnell erklären. Dann weißt du, wie sich der Rollwiderstand zusammensetzt.
Reifenrollwiderstand
Die Aufgabe des Reifens.
Nun ist es zwar die Hauptaufgabe der Reifen Kräfte zu übertragen, sie sollen aber auch noch lange halten und eine komfortable Fahrt ermöglichen. Alles gleichzeitig sicherzustellen, ist eine sehr komplexe Aufgabe.
Um dieser Aufgabe gewachsen zu sein, haben Fahrzeugreifen eine umfassende und aufwendige Entwicklung durchlaufen. Das hat sie zu den hoch entwickelten technischen Meisterwerken gemacht hat, die sie heute sind.
Allerdings kommt diese Leistungsfähigkeit nicht umsonst.
Die Kraftübertragung bei Fahrzeugreifen.
Vertikalkraftübertragung
In vertikaler Richtung überträgt der Reifen die Gewichtskräfte des Fahrzeuges auf die Straße.
Hierbei handelt es sich um Formschluss. Der Reifen drückt auf die Straße und die Straße hält dagegen.
Der Reifen ist eigentlich eine Luftfeder. Dieser Entwicklungsschritt fand 1888 statt, als John Boyd Dunlop anstelle eines Vollgummireifens einen luftgefüllten Schlauch an seinem Fahrradrad montierte.
Die Gewichtskraft des LKW wird von der am Scheibenrad befestigten Felge über ein eingeschlossenes Luftvolumen auf den Laufstreifen des Reifens übertragen.
Dieser Laufstreifen ist nun in Kontakt mit der Straßenoberfläche, auf der er die Gewichtskraft abstützen kann. Hier treffen sich die Gewichtskraft und die Radaufstandskraft, um ein Kräftegleichgewicht zu bilden.
Durch die Gewichtskraft verdichtet sich die Reifenluft. Das führt dazu, dass der Reifen und die Luft „einfedern“.
Es bildet sich eine flächige Auflage auf der Straße, der Reifenlatsch, auf den wir noch mehrfach zu sprechen kommen werden.
Du kennst das! Um so schwerer das Fahrzeug beladen ist, um so mehr machen die Reifen „dicke Backen“. Die Auflagefläche wird größer und die Reifenhöhe nimmt ab.
Der Laufstreifen des Reifens (er besitzt das Reifenprofil) wird an dieser Stelle unter der Krafteinwirkung zusammengedrückt.
Dreht sich das Rad weiter, federt der Reifen wieder aus.
Jedes Reifensegment kommt bei jeder Radumdrehung genau einmal mit der Straße in Kontakt und damit in den Kraftpfad (zwischen Radmitte und Straße).
Horizontalkraftübertragung
Horizontalkräfte sind Antriebs- und Bremskräfte, die längs zur Fahrtrichtung wirken, und Seitenkräfte, die quer zur Fahrtrichtung angreifen.
Diese Horizontalkräfte werden von der Felge über die Reifenkarkasse in den Laufstreifen übertragen.
Der durch die Gewichtskraft ausgebildete Reifenlatsch bietet auch für die Horizontalkräfte die Kraftübertragungsfläche mit der Straße.
Auf dieser Fläche werden die Horizontalkräfte durch Reibung vom Reifen auf die Straße übertragen.
Der Mechanismus dieser Kraftübertragung ist sehr komplex, deshalb will ich an dieser Stelle nur die beiden wesentlichen Phänomene ansprechen, welche die eigentliche Haftung bewerkstelligen. 1)
- Die Adhäsionsreibung des Reifen-Elastomers auf der Straße. Der Gummi „klebt“ auf der Straße. Hier wirken Kräfte auf atomarer Ebene.
- Die Hysteresereibung. Die Unebenheiten der Straßenoberfläche drücken sich in den Gummi ein und „verzahnen“ den Reifen mit der Straße.
Warum dabei Reifenrollwiderstand entsteht.
Wird ein Reifen durch die Gewichtskraft belastet, dann verformt er sich — und das war es.
Das Luftvolumen, die Karkasse und der Laufstreifen sind elastische Federn. Sie speichern Lageenergie des Fahrzeuges als Spannenergie.
Dabei ist noch nichts Schlimmes passiert, es entsteht ein kleines bisschen Wärme im Reifen, aber sonst ist die Energie noch da.
Das Unglück passiert, wenn der Reifen rollt!
Jetzt entsteht nicht einmalig ein kleines bisschen Wärme, sondern fortlaufend, immer wieder und immer wieder und immer wieder und …
Der Reifen rollt deshalb auch nicht von alleine. Er muss durch eine äußere Antriebskraft in Bewegung gebracht und dann in Bewegung gehalten werden.
Diese Antriebskraft kann als Hangabtriebskraft oder Trägheitskraft aus der Lage- oder Bewegungsenergie kommen. Kommt die Antriebskraft vom Motor, dann kostet sie Kraftstoff oder elektrische Energie.
Dreht sich das Rad, dann federt der Reifen auf der in Fahrtrichtung vorn liegenden Seite des Reifenlatsches ein und speichert Spannenergie.
Auf der hinteren Seite federt er wieder aus und gibt die Spannenergie ans Fahrzeug zurück.
Aber leider nicht die komplette gespeicherte Spannenergie. Dämpfung im Reifenmaterial verwandelt in jedem Zyklus ein Quäntchen Spannenergie in Wärme.
Die nun fehlende Energie muss die Antriebskraft aus der Bewegungsenergie des Fahrzeuges ergänzen.
Wenn wir also den Reifenrollwiderstand verstehen wollen, dann müssen wir uns mit den Reifenverformungen beschäftigen.
Also schauen wir uns diese jetzt mal kurz im Einzelnen an.
Die Verformung der Karkasse
Die Reifenkarkasse ist das Gefäß, in dem die Reifenluft eingesperrt ist.
Mit ihrer Konstruktion und der daraus resultierenden Verformungscharakteristik bestimmt die Karkasse aber zusätzlich auch, wie die Kräfte von der Felge auf den Laufstreifen übertragen werden.
Eine steife Karkasse ist gut für Spurtreue und Rollwiderstand, eine weiche Karkasse bringt eine komfortable Fahrt und reduziert den Verschleiß des Fahrzeuges. Hier ist also der richtige Kompromiss gefragt.
(In dem Handbuch, zu dem dieser Link führt, kannst du den Aufbau der Karkasse auf Seite 8 anschauen).
Alle Konstruktionselemente, die sich am Umfang der Karkasse befinden, werden im Reifenlatsch flach gedrückt. Das bedeutet, sie müssen sich verbiegen.
Es sind unterschiedliche Materialen mit verschiedenen Verformungseigenschaften im Einsatz. Das macht man, weil es dem Reifenentwickler die Möglichkeit gibt, den richtigen Kompromiss zu realisieren.
Die Seitenwände und der seitliche Teil der Karkasse beulen sich nach außen, wenn der darunter liegende Laufstreifen durch den Reifenlatsch läuft.
Alle diese Verformungen verzehren Bewegungsenergie.
Die Verformung vom Laufstreifen mit Profil
Um die Verformungen vom Laufstreifen mit dem Profil zu verstehen, müssen wir uns die beiden Reifenradien anschauen, die am belasteten Reifen zu finden sind.
Außenradius R
Der Außenradius des unbelasteten Reifen wird durch die Reifenkonstruktion bestimmt. Er tritt überall da auf, wo der Reifen nicht im Straßenkontakt ist.
Wenn sich das Rad mit hoher Geschwindigkeit dreht, dann wird der Reifenradius durch die Fliehkraft noch etwas größer. Die Fliehkraft „zieht“ an der Reifenkarkasse.
Dynamischer Reifenradius R dyn
Der dynamische Reifenradius ist der Radius, der zur Abrollstrecke des rollenden, belasteten Rades gehört. Abrollstrecke ist der Weg, den das Fahrzeug während einer Radumdrehung zurücklegt.
Zur Vollständigkeit sei noch der statische Reifenradius erwähnt. Er ist der Abstand zwischen Reifenmitte und Straße, der sich beim belasteten, stehenden Rad unter Einwirkung der Gewichtskraft ausbildet. Er ist kleiner als der dynamische Reifenradius.
Der Unterschied zwischen statischem und dynamischen Radius resultiert daraus, dass der Reifenlatsch während der Fahrt nicht die Zeit hat sich vollständig auszubilden. Und dann wirkt auch noch die Fliehkraft der Gewichtskraft entgegen.
Durchgang durch den Reifenlatsch.
Diese unterschiedlichen Radien haben eine Konsequenz für den Rollwiderstand.
Der Laufstreifen dreht sich mit der Umfangsgeschwindigkeit, die sich aus Raddrehzahl und dem Außenradius des unbelasteten Reifen ergibt.
In dem Moment, in dem der Laufstreifengummi in die Reifenlatsch eintritt, ändert sich das.
- Der Gummi wird zusammengestaucht, weil die Rundung des Reifens auf eine ebene Fläche gedrückt wird. Das Material, welches vorher auf dem Reifenumfang Platz gefunden hat, muss sich nun auf der kürzeren Sekante des Reifenkreises zusammendrängeln.
- Die Umfangsgeschwindigkeit verändert sich. Der Profilblock läuft mit der Umfangsgeschwindigkeit, die zum Außenradius gehört, in den Latsch ein. In der Mitte des Latsches muss er die kleinere Umfangsgeschwindigkeit des dynamischen Reifenradius haben. Im hinteren Teil des Rades dreht sich der Vorgang dann wieder um. Jedes Teilchen im Reifenprofil wird also erst verzögert und dann wieder beschleunigt.
- Und natürlich wird der Laufstreifen im Reifenlatsch auch noch vertikal durch die Gewichtskraft zusammengedrückt.
Im Reifenlatsch geht also ganz schön die Post ab. Das Reifenprofil wird gestaucht, gedehnt und geschert, also ordentlichem Stress ausgesetzt. Kein Wunder, das es ins Schwitzen kommt.
— Nein, Spaß beiseite. —
Alle diese Verformungen verusachen eine Wärmeentwicklung, die sich als Rollwiderstand bemerkbar macht.
Den Reifenrollwiderstand optimieren.
Was lernen wir daraus, wie der Reifenrollwiderstand verringert werden kann?
optimaler Reifenluftdruck
Die Reifenluft trägt die Gewichtskraft. Um so höher der Reifenfüllluftdruck ist, um so kleiner ist der Reifenlatsch und entsprechend geringer ist der Rollwiderstand.
Du kannst es wie bei einer Luftfeder sehen. Der Reifenlatsch entspricht der Kolbenfläche. Bei höherem Druck kann eine kleinere Kolbenfläche die gleiche Kraft tragen.
Für den Rollwiderstand kann der Luftdruck gar nicht hoch genug sein. Allerdings gibt es einige ungesunde Nebenwirkungen von zu hohem Druck, die wir nicht in Kauf nehmen wollen.
Die unangenehmsten Nebenwirkungen sind erhöhter Reifenverschleiß und verringerte Reifenhaftung.
Kontrolliere und korrigiere den Luftdruck wirklich regelmäßig!
Obwohl der Reifen eine spezielle Materialschicht enthält, die das entweichen von Luft durch den Reifen verhindern soll, diffundiert über die Zeit doch etwas Luft an außen. Naja, das Reifenventil ist auch nicht perfekt luftdicht.
Damit sinkt der Reifenluftdruck mit der Zeit ab und muss immer wieder nachgefüllt werden.
optimales Reifenprofil
Auch beim Reifenprofil handelt es sich um einen Kompromiss.
Für einen perfekten Rollwiderstand ist ein abgefahrener Reifen ideal. Um so weniger Profil, um so besser der Rollwiderstand.
Es ist aber jedem klar, dass es in Bezug auf Fahrsicherheit und Reifenlebensdauer unsinnig, ja sogar gefährlich wäre, solche Reifen herzustellen.
Auch hier gilt es den richtigen Kompromiss zu realisieren. Die Hersteller bieten aus diesem Grund für unterschiedliche Einsatzfälle unterschiedliche Profilarten an.
Vielleicht noch ein kleiner Tip: Tausche die Reifen nicht zu zeitig. Gerade gegen Ende der Laufstrecke haben die Reifen den besten Rollwiderstand. Nutze die trockenen Sommermonate, um den letzten Rest bis zur vorgegebenen Verschleißgrenze, aufzubrauchen.
optimale Reifenkonstruktion
Es gibt natürlich auch Unterschiede, die in der Konstruktion der Reifen begründet sind. Diese kannst du am gesetzlich vorgegeben Reifenlabel ablesen.
Feinere Unterschiede lassen sich aus den Rollwiderstandswerten ablesen, die von Reifenherstellern oder Prüfinstituten gemessen werden.
Du kannst aber auch eigenen Messungen durchführen. Dazu eignen sich Rollwiderstandsmessungen ( Ausrolltest, Constant Speed Test) oder die Verbrauchsmessmethoden, die ich in meinem Blog vorgestellt habe.
Rollwiderstand beim Beschleunigen
So, jetzt geben wir mal richtig Gas!
Bevor ich hier über den Rollwiderstand beim Beschleunigen schreibe, muss ich erst erklären, was Reifenschlupf ist.
Was ist Reifenschlupf?
Um das Fahrzeuge auf eine höhere Geschwindigkeit zu beschleunigen, muss der Motor ein Drehmoment an das Rad schicken. — Das ist bekannt.
Das Rad mit dem Reifen macht aus diesem Drehmoment eine Antriebskraft im Reifenlatsch.
Der dynamische Reifenradius fungiert dabei als Hebelarm.
Du erinnerst dich? Kraft mal Hebel ergibt Drehmoment und anders rum, Drehmoment durch Hebel gibt Kraft.
Läuft ein Profilblock in den Reifenlatsch ein, dann drückt ihn die Gewichtskraft immer stärker auf die Straßenoberfläche.
Jetzt haftet der Profilblock mit seiner Oberfläche auf der Straße.
Im Profilgrund zieht die Antriebskraft am Profilblock. Dadurch wird der Profilblock in die Länge gezogen.
Im hinteren Bereich des Reifenlatschen verkleinert sich die Gewichtskraft am Profilblock. In der Folge reißt die Bindung zur Straße ab und der Gummi zieht sich zusammen.
Das Dehnen des Profilgummis führt dazu, dass die Geschwindigkeit im Profilgrund höher ist, als die Geschwindigkeit der Profiloberfläche auf der Straße.
Das Rad dreht sich schneller, als es die Fahrzeuggeschwindigkeit widerspiegelt.
In dem eben beschriebenen Ablauf, wirkt der Profilblock also auch wieder als Feder und auch hier tritt Dämpfung auf.
Während der Profilblock im Reifenlatsch mit Schlupf Horzontalkräfte überträgt entsteht Wärme und damit ein Energieverlust.
Reifenabrieb
Im hinteren Teil des Reifenlatsches wird also irgendwann die Haftung zwischen Straße und Reifen aufgerissen.
Dabei lösen sich nicht überall die Gummipartikel von der Straße. Teilweise löst sich die Bindung der Atome im Reifengummi. Es bleiben Gummipartikel auf der Straße kleben.
Das ist der Reifenverschleiß, den du beim Reifenwechsel teuer bezahlen mußt.
Den Rollwiderstand beim Beschleunigen optimieren
Was kannst du dagegen tun?
Antriebskraft reduzieren
Es ist logisch, um so größer die Kraft ist, mit der am Profil gezogen wird, um so mehr Dehnung und Abrieb und damit auch um so mehr Rollwiderstand.
Wenn du Bewegungsenergie im Fahrzeug behältst, indem du weniger bremst, dann musst duch auch weniger Antriebskraft einsetzen, um die Bewegungsenergie wieder ins Fahrzeug reinzuladen.
Dass reduziert den Schlupf und damit auch den Rollwiderstand. Du kennst das auch unter der Überschrift: Vorausschauendes Fahren.
Diesen Tip liest du in jedem Ratgeber.
Jetzt ist es aber leider gar nicht so einfach.
Ein Dieselmotor hat bei einem hohem Drehmoment seine besten Wirkungsgrad. Deshalb spart kurzes aber kräftiges Beschleunigen auch Kraftstoff.
Hier ist also der beste Kompromiss gefragt, hart, aber nicht zu hart beschleunigen!
Bei einem Elektro-LKW ist der Kompromiss einfacher, hier ist der Wirkungsgrad auch bei kleinem Antriebsmoment gut. Also ist geringe Beschleunigung bei E-LKW in jedem Fall vorteilhaft.
Richtiges Profil verwenden
Auch bei der Beschleunigung spielt die Gestaltung des Profiles eine wichtige Rolle.
Aus diesem Grund gibt es verschiedene Reifen- und Profilgestaltungen für unterschiedliche Anwendungsfälle.
Reifen für Trailer sind am konsequentesten auf Rollwiderstand getrimmt, da sie kein Antriebs- und Lenkkräfte übertragen müssen.
Lenkachsreifen liegen an zweiter Stelle.
Antriebsachsreifen haben die höchsten Ansprüche an die Traktion und damit den schlechtesten Wirkungsgrad.
Wenn du diese Reifen vergleichst, dann wirst du feststellen, das Traktionsreifen die markanteste Profil haben und Trailerachsreifen das wenigste.
Natürlich gibt es auch innerhalb jeder Profilart herstellerspezifische Unterschiede.
Wenn du herausfinden willst, welcher Reifenhersteller der Schlaueste ist, dann mußt du testen.
Rollwiderstand durch Schräglauf
Bisher sind wir immer schön gerade ausgefahren und hatten keine Seitenkräfte im Spiel. Das ändern wir jetzt.
Wo kommen Seitenkräfte her?
Es gibt zwei typische Fälle, in denen Seitenkräfte auf die Reifen wirken.
Der erste Fall ist, wenn Kräfte von der Seite auf das Fahrzeug einwirken:
- Verursacht durch Seitenwind
- Fliehkräfte wirken bei Kurvenfahrt
- Bei quer geneigter Fahrbahn wirkt eine Hangabtriebskraft quer zum Fahrzeug.
Im zweiten Fall wird das Rad aus der Bewegungsrichtung des Fahrzeuges herausgedreht. Das passiert typischerweise beim Lenkeinschlag.
Die Trägheitskraft in Fahrtrichtung hat hier einen Winkel zur Radebene. Deshalb teilt sie sich auf und erzeugt eine Kraftkomponente, die genau rechtwinklig zur Radebene steht.
Rollwiderstand bei Seitenkräften
Wenn Seitenkräfte auf den Reifen wirken, dann passiert in Querrichtung genau das Gleiche, was bei Antriebskräften in Längsrichtung passiert.
Du hast es gerade gelesen. Das Reifenprofil verformt sich, es entsteht Schlupf.
Auch wenn das jetzt alles quer zur Fahrrichtung passiert, kommt die Verlustenergie aus der Bewegungsenergie des Fahrzeuges und erzeugt eine Bremskraft, die einen weiteren Teil zum Rollwiderstand beiträgt.
Was ist Reifenschräglauf?
Egal ob erst der Winkel und dann die Seitenkraft (beim Einlenken) oder erst die Seitenkraft und dann der Winkel (z.B. bei Seitenwind) kommt, es ist immer Schräglauf und verursacht immer Rollwiderstand.
Rollwiderstand durch Schräglauf optimieren
Leider ist der Rollwiderstand bei Schräglauf relativ wenig beeinflussbar.
Klar kannst du langsamer durch Kurven fahren, damit weniger Fliehkräfte wirken. Ich gehe aber davon aus, dass du eh schon aus Sicherheitsgründen mit vernünftiger Kurvengeschwindigkeit fährst.
Auf jeden Fall sind die Kreisverkehre und die komischen Verkehrsinseln an den Ortseingängen keine gute Maßnahme, wenn es darum geht Energie einzusparen. Aber auch das können wir nicht ändern, es sei denn du hast vernüftige Alternativstrecken.
Auch hier spielt natürlich die Reifengestaltung eine Rolle.
Reifenprofile werden vom Hersteller immer so ausgelegt, dass minimaler Schräglauf ermöglichst wird, weil das auch für die Spurführung und das Lenkverhalten wichtig ist.
Rollwiderstand durch die Radstellung
Nun verlassen wir das einzelne Rad und schauen auf die Interaktion aller Räder am Fahrzeug.
Die Räder an einem Zweispurfahrzeug, also einem Auto oder LKW, sind paarweise pro Achse angeordnet und damit miteinander verbunden.
Darum kann der Fall eintreten, dass die Räder in unterschiedliche Richtung rollen wollen, es aber nicht können.
Ich will als einfaches Beispiel die Durchbiegung einer Starrachse benutzen.
Nimm eine Trailerachse. Sie ist ein Rohr, welches sich unter Belastung minimal durchbiegt.
Das führt dann dazu, dass die Räder einen negativen Sturz bekommen. Sie neigen sich oben nach innen.
In der Konsequenz will das linke Rad eine Rechtskurve fahren und das rechte Rad eine Linkskurve.
Weil das alles symmetrisch passiert, fährt das Fahrzeug weiter geradeaus, beide Räder bekommen aber einen Schläglauf aufgezwungen.
Ich denke, dieses einfache Beispiel macht dir das Problem deutlich. Es gibt aber noch viele andere und auch viel komplexere Beispiele. Deshalb werde ich hierzu noch einen eigenen Artikel schreiben.
Ebenso werde ich noch ausführlich auf den Einfluss der Achsausrichtung bei Fahrzeugen mit 2 und mehr als 2 Achsen eingehen.
Ohne an dieser Stelle ins Detail zu gehen, kann ich doch schon verraten, dass die Achsausrichtung bei Fahrzeugen mit mehr als 2 Achsen unbedingt stimmen muss!
Rollwiderstand durch Radstellung optimieren
Der Stellhebel liegt hier beim Fahrzeugentwickler. Er muss die richtige Radstellung realisieren, mit der minimaler Rollwiderstand erreicht wird.
Einige Radstellungsgrößen werden nicht durch ein einziges Bauteil, sondern durch viele Bauteile im Zusammenspiel bestimmt. Hier können Montagetoleranzen zur falschen Radstellungen führen.
In diesen Fällen sind häufig Einstellmöglichkeiten vorgesehen, mit denen die Montagetoleranzen ausgeglichen werden können.
Zum Beispiel die Einstellung der Vorspur an der Spurstange der Lenkachse.
Ein anderes Beispiel sind die Exzenterscheiben, mit deren Hilfe die Achsspur von Trailer – Tridems justiert wird.
Regelmäßige Achsvermessungen zeigen dir, ob noch alles in der richtigen Position ist oder ob korrigiert werden muss.
Rollwiderstand in der Radlagerung
Jetzt verlassen wir den Reifen und gehen zum Rad.
Das Rad ist drehbar an der Achse angebracht. Um das zu erreichen werden Radlager benötigt.
Diese Radlager haben auch einen Rollwiderstand. Er setzt sich aus drei Komponenten zusammen:
- Die Rollreibung der Lagerrollen
- Die Reibung zwischen Dichtung und Welle
- Die Planschverluste der Lagerschmierung
Der Rollwiderstand der Radlagerung ist ein sehr umfangreiches Themengebiet, da es unterschiedliche Konstruktionsarten gibt, die alle eigene Vor- und Nachteile und damit auch unterschiedliche Rollwiderstände haben.
Aus diesem Grund wird es zu dem Thema einen eigenen Artikel geben.
Rollwiderstand durch die Radbremse
Es ist ein gesetzliche Pflicht, dass jedes Fahrzeug an jedem Rad eine Bremse haben muss.
Je nachdem, um welche Art von Bremse es sich handelt, kann auch hier Rollwiderstand entstehen.
Fangen wir mal mit der guten Nachricht an:
Eine Trommelbremse hat keinen Rollwiderstand.
Die Bremsbacken verfügen über Rückzugsfedern, welche die Backen immer von der Bremstrommel wegziehen, so dass sich das Rad frei drehen kann, sobald die Bremse gelöst ist.
Die schlechte Nachricht ist allerdings, dass eine Trommelbremse unter hoher Belastung ihre Bremswirkung verlieren kann. Du kennst vielleicht den Begriff „Fading“.
Das will keiner haben und deshalb wurde schon vor vielen Jahren die Scheibenbremse erfunden und in die Fahrzeuge eingeführt.
Leider haben Scheibenbremsen keine Rückzugsfedern und deshalb einen Rollwiderstand.
Schauen wir uns das mal genauer an.
Wirkprinzip einer Scheibenbremse
Eine Scheibenbremse wirkt nach dem Prinzip einer Schraubzwinge.
Die Bremsscheibe ist das Teil, welches eingespannt wird. Sie ist mit dem Rad verbunden.
Die Bremskraft entsteht auf den Reibflächen und wird über die Bremsscheibe, die Radnabe, das Scheibenrad und den Reifen in den Reifenlatsch übertragen.
Damit eine Bremskraft entsteht, muss eine Normalkraft auf die Reibfläche einwirken.
Du erinnerst dich? Normalkraft mal Reibwert ist gleich Reibkraft.
Diese Normalkräfte werden in der LKW- Druckluftscheibenbremse durch einen Hebel erzeugt, der vom Bremszylinder mit Kraft beaufschlagt wird.
Es handelt sich um einen Hebel, der sich auf der einen Seite am Schwimmsattel und auf der anderen Seite am Betätigungsstempel abstützt.
Der Betätigungsstempel drückt den inneren Bremsbelag gegen die Bremscheibe.
Der Schwimmsattel ist verschiebbar auf Führungsbolzen gelagert. Er kann sich quer zur Fahrzeugachse bewegen und überträgt so die Normalkraft vom Betätigungshebel auf den außenliegenden Bremsbelag.
Restbremsmoment einer Scheibenbremse
Wirkt an einer Reibstelle keine Normalkraft, dann gibt es keine Reibkraft und damit auch Bremsmoment am Rad.
Das ist der Idealzustand, so soll es sein.
Die Realität ist aber leider nicht komplett restbremsmomentfrei.
Der schwere Schwimmsattel hat auf den Führungsbolzen Reibung.
Das führt dazu, dass er etwas klemmt und damit eine Restnormalkraft an den Bremsbelägen verbleiben kann, obwohl keine Betätigunskraft vom Bremszylinder mehr aufgebracht wird.
Auch der Stempel muss gegen seine Reibung in den Sattel zurückgedrückt werden, damit die Reibfläche kraftfrei ist.
Die Restnormalkraft erzeugt eine Restbremskraft und die bewirkt dann ein Restbremsmoment am Rad, welches in den Rollwiderstand eingeht.
Rollwiderstand durch Radbremse optimieren
Die wichtigste Aufgabe besteht darin die Führungslager der Bremse leichtgängig zu halten.
Bei jeder Wartung solltest du sicherstellen oder sicherstellen lassen, dass sich der Schwimmsattel der Bremse leicht auf dem Führungsbolzen verschieben lässt.
Ist er schwergängig, dann muss das repariert werden.
Damit sind wir schon wieder beim Vorausschauenden Fahren!
Wenn du weniger bremst, dann hast du weniger Rückstellvorgänge in den Radbremsen.
Falls du doch bremsen musst, dann benutze die Dauerbremse!
Bulldozingwiderstand
Wenn es sich um einen weichen Boden handelt, dann ist es augenscheinlich, denn der Reifen hinterläßt eine deutlich sichtbare Spur.
Wenn diese Spur ausgeprägt wird, dann sinkt der Reifen in den Boden ein und es bilden sich vor und seitlich vom Reifen kleine Unterlegkeile, die weggedrückt werden müssen.
Die dafür notwendige Energie, kommt mal wieder aus der Bewegungsenergie des Fahrzeuges.
Deshalb läßt sich dein Bollerwagen im Sand schwerer ziehen als auf dem Betonweg.
Den Widerstand, den der Boden dem rollenden Rad entgegenstellt, nennt man Bulldozingwiderstand. Wie ein Bulldozer schiebt der Reifen einen Wall Erde vor sich her.
Nun fahren wir ja meistens auf Asphalt oder Beton und da gibt es keine großen Bodenverformungen.
Es gibt aber kleine Bodenverformungen und die kosten auf die Strecke doch auch Energie.
Der Beleg sind die Spurrinnen auf der rechten Autobahnspur, denen dein LKW folgen will. Habe ich Recht?
Diesen Faktor kann nur die Straßenbaufirma optimieren, indem sie eine ordentliche Straße baut.
Schwallwiderstand
Diese Pumpwirkung des Profiles verbraucht auch Energie! Du wirst es schon vermuten, auch diese Energie wird wiedermal der Bewegungsenergie des Fahrzeuges entnommen.
Du kannst es messen, der Rollwiderstand und damit der Kraftstoffverbauch ist auf nasser Straße deutlich größer als auf trockener Straße.
Lüftungswiderstand
Zum Abschluss komme ich noch auf einen Rollwiderstandsbestandteil, den man auch dem Luftwiderstand zuordnen könnte.
Die Reifenoberfläche mit dem Profil und das Scheibenrad mit seinen Löchern verursachen während der Drehung Luftverwirbelungen und damit einen Luftwiderstand, der das Rad abbremst.
Die in der Ratschüssel positionierte Scheibenbremse verhindert, dass sich die Luft innerhalb der Radschüssel einfach mitdrehen kann.
Den Teil des Luftwiderstandes, der durch die Raddrehbewegung verusacht wird, schlagen wir dem Rollwiderstand zu.
Den Teil des Luftwiderstandes am Rad, der vom Fahrtwind veruracht wird zählt zum Luftwiderstand.
Radkappen verringern beide Effekte und verbessern damit sowohl den Luft- als auch den Rollwiderstand.
Warum werden sie an LKW’s so selten genutzt?
Es ist eine Kostenfrage. Radkappen mit ihren Befestigungsteilen sind nicht gerade billig.
Diese hohen Kosten durch einen besseren Kraftstoffverbrauch einzufahren ist eine langwierige Angelegenheit.
Das Einsparpotential hängt starkt vom Aerodynamikkonzept des kompletten Fahrzeuges ab, ich werde im Luftwiderstandsartikel darauf eingehen.
Zusammenfassung
Quellen:
- Haken, Karl-Ludwig: Grundlagen der Kraftfahrzeugtechnik, 4. aktualisierte Auflage Carl Hanser Verlag München, 2015
- Schmidt, Tobias; Schlender, Dirk: Untersuchung zum saisonalen Reifenwechsel unter Berücksichtigung technischer und klimatischer Aspekte, Projektbericht Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, 2003, Seite 7 -13